Die Erlebnisqualität von Fernsehsendungen
Eine Anwendung der TV-Erlebnisfaktoren
Wie eine Vorgängerstudie zeigte, bietet es sich an, das Erleben des Fernsehpublikums durch eine differenzierte Betrachtung der Erlebnisweisen von Formaten zu beschreiben. Die fünf identifizierten TV-Erlebnisfaktoren Emotionalität, Orientierung, Ausgleich, Zeitvertreib und Soziales Erleben haben in unterschiedlicher Stärke für das Fernseherleben generell Gültigkeit. Für die aktuelle Studie wurden im Rahmen des forsa-omninet-Panels insgesamt mehr als 1 500 Personen, die das jeweilige Format regelmäßig nutzten, zu aktuell ausgestrahlten Fernsehsendungen befragt.
Die für die Zuschauer wichtigste TV-Erlebnisweise ist Emotionalität, das heißt Spaß, Spannung, Entspannung und Abwechslung nach der Tageshetze, wobei einzelne Sendungen unterschiedlich emotional erlebt werden. So erreicht "Wetten, dass ..?" als Prototyp der großen Abendunterhaltung beim Faktor Emotionalität hohe Werte. Aber auch Informationsformate können emotional erlebt werden. Die Erlebnisdimension Orientierung hat beim Publikum eine ähnlich hohe Bedeutung wie Emotionalität. Fast alle Befragte sagen, dass sie bei der "Tagesschau" neue Informationen bekommen, und diese Sendung bietet häufig Gesprächsstoff. Auch Unterhaltungsformate können Orientierung bieten.
Die drittwichtigste TV-Erlebnisweise ist Ausgleich ("lenkt mich von Alltagssorgen ab", "beruhigt mich, wenn ich Ärger habe"). Diese Funktion wird zum Beispiel von Comedyformaten bedient. Ähnlich wichtig wie Ausgleich ist beim Fernsehen der Zeitvertreib, das heißt Gewohnheit sowie das mehr oder weniger sinnvolle Verbringen von Zeit. Aus Gewohnheit werden häufig die täglichen Formate "Tagesschau" und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gesehen. Soziales Erleben, wie zum Beispiel am Leben anderer teilzunehmen oder sich im Alltag zurechtzufinden, ist für jeden siebten Zuschauer wichtig. Sowohl Unterhaltungs- als auch Informationsformate tragen dieser Funktion Rechnung.
Die genannten TV-Erlebnisweisen werden von den unterschiedlichen Zielgruppen (Alter, Bildung etc.) auf verschiedene Weise erlebt: Formateigenschaften und Zuschauermerkmale bedingen sich gegenseitig. Die Erlebnisfaktoren können den Erlebniskern von Formaten unterschiedlicher Genres identifizieren. Die neuen Analysemöglichkeiten bieten die Chance, Formate hinsichtlich ihres Erlebenskerns miteinander zu vergleichen und die gewonnenen Erkenntnisse für einzelne Zielgruppen zu analysieren. Die Analyse von Quoten einerseits und Erlebnisweisen andererseits liefert wichtige Hinweise für die Programmpraxis.
MP 2/2005, S. 50-60
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