Heft 2

Michael Jäckel

'Oprah's Pick', Meinungsführer und das aktive Publikum

Zentrale Fragen der Medienwirkungsforschung im Überblick

Immer wieder lassen sich beeindruckende Beispiele für die Wirkungen von Medien finden: Bilder von Naturkatastrophen lösen Spendentätigkeit aus, Buchbesprechungen in Fernsehsendungen treiben Verkaufszahlen in die Höhe. Bei genauerer Betrachtung bietet die Medienwirkungsforschung allerdings ein vielschichtiges und teilweise widersprüchliches Bild. Drei Problembereiche oder Forschungsfelder treten in den letzten Jahren besonders hervor: die Frage nach den Bedingungen und Charakteristika "starker Medienwirkungen", die Mehrstufigkeit des Wirkungsprozesses sowie die Bedeutung des "aktiven" Publikums für die Wirkungsweise der Medien.

In erster Linie sind es ungewöhnliche oder extreme Ereignisse, deren Berichterstattung durch die Medien offenbar starke Wirkungen wie Panik hervorrufen können. Tatsächlich sind die Wirkungen in vielen Fällen eher beschränkt und kurzfristig, selbst die Definition von "starker" Wirkung geht in der Forschung zum Teil erheblich auseinander. Unterhalb der Ebene der spektakulären Wirkungen lassen sich dagegen eine Vielzahl von Konsequenzen der Massenkommunikation identifizieren, die vor allem längerfristig sind: Gewohnheit, Imagebildung, Ratgeberfunktion, Vorstellungen von Öffentlichkeit und Privatheit, Thematisierung und vieles mehr.

Dabei ist Medienwirkung unter anderem als ein mehrstufiger Prozess zu verstehen, in dem das bekannte Konzept des Meinungsführers heute zunehmend differenziert und im Rahmen vor allem der Netzmedien durch Feedback- und interpersonale Kommunikation ergänzt wird. Hier kommt auch der so genannte aktive oder rationale Rezipient ins Spiel, der Medien in wachsendem Maß flexibel, der jeweiligen Situation angepasst nutzt. Präferenzen für bestimmte Inhalte, individuelle Kompetenz und sozialer Hintergrund sind dabei zu berücksichtigende Faktoren. Letztlich ist jedoch die "Macht" der Nutzer, Inhalte auf ihre eigene Art zu interpretieren, nur in dem Rahmen möglich, den die Medienstrukturen vorgeben.

Als Zwischenbilanz ist festzuhalten, dass zwar viele Forschungsaspekte, die von den Pionieren der Medienwirkungsforschung aufgeworfen wurden, nach wie vor Relevanz besitzen. Die Wissenschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten jedoch eine erhebliche Differenzierung erfahren. Einfache, generalisierende Antworten auf die Wirkungsfrage sind nicht zu erwarten, eher eine deutlichere Unterscheidung kurzfristiger Konjunkturen und langfristiger Veränderungen. Dabei dürfte in der Forschung künftig Wirkung auch verstärkt als Mitwirkung thematisiert werden.

MP 2/2005, S. 76-90



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