Heft 5

Michael Libertus

Die Revision des EU-Regulierungsrahmens für elektronische Kommunikation

Problematik aus Sicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Bereits seit Mitte der 1990er Jahre verfolgt die Europäische Union eine Politik der Deregulierung und Liberalisierung im Bereich der Telekommunikation. Gegenwärtig steht die Revision des seit 2002 geltenden Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste an, die die Europäische Kommission für einen weiteren Liberalisierungsschub nutzen möchte. Während der geltende Rechtsrahmen die Belange des Rundfunks bei vielen wichtigen grundsätzlichen Regelungen berücksichtigt, beinhalten die von der Kommission vorgelegten und im Europäischen Parlament diskutierten Revisionsvorschläge erhebliche Risiken für den Rundfunk.

Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll bei der Verteilung von Frequenzen zukünftig das Prinzip der "Technologie- und Diensteneutralität" gelten, das heißt, dass grundsätzlich jede Frequenz für jede Übertragungstechnologie und jede Dienstleistung genutzt werden kann. Schrittweise soll ein freier Handel mit Frequenzen eingeführt werden. Unternehmen, die Frequenzen beispielsweise in einer öffentlichen Auktion erworben haben, können diese gewinnbringend weiterverkaufen. Die Kommission will die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten einschränken, Netzbetreibern Must-Carry-Regeln auferlegen zu können. Der marktbasierte Regulierungsansatz der Kommission soll auch bei der Nutzung der digitalen Dividende angewendet werden. Schließlich strebt die Kommission eine weitgehende Harmonisierung der Regeln für die Frequenzvergabe in der EU bei gleichzeitiger Ausweitung der Kompetenzen für die EU auf Kosten der Mitgliedstaaten an. Vorgesehen ist eine EU-Regulierungsbehörde, die für eine einheitliche Umsetzung der europäischen Regeln durch die nationalen Behörden sorgen und selbst paneuropäische harmonisierte Frequenzen an dafür vorgesehene paneuropäische Dienste vergeben soll.

Die deutschen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstalter und auch die Bundesländer sehen viele dieser EU-Vorschläge als problematisch an. Die ARD fordert unter anderem, die im geltenden EU-Rahmen anerkannte Verbindung zwischen Inhalte- und Infrastrukturregulierung beizubehalten. Die Festlegungen durch den Genfer Wellenplan 2006 müssen respektiert werden. Außerdem wird darauf gedrungen, die vorhandenen Gestaltungskompetenzen der Mitgliedstaaten, insbesondere im Hinblick auf Ziele der Kultur- und audiovisuellen Politik, zu erhalten. Der Bundesrat hat sich für das Weiterbestehen von Ausnahmeregeln für den Rundfunk ausgesprochen.

MP 5/2008, S. 226-235



Zurück zur Übersicht