Heft 4

Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke

Journalismus im Internet: Zwischen Profession, Partizipation und Technik

Ergebnisse eines DFG-Forschungsprojekts

Wie wandeln sich Journalismus und aktuelle Öffentlichkeit, wenn sich mit dem Internet die medialen Randbedingungen ändern? Diese Frage stand im Mittelpunkt des DFG-Forschungsprojekts „Vermittlungsakteure, -strukturen und -leistungen der aktuellen Internetöffentlichkeit“, das 2006 bis 2008 am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster durchgeführt wurde.

Empirisches Kernstück des Projekts war eine Anbieterbefragung. Dafür musste zunächst die Grundgesamtheit der journalistischen Internetangebote in Deutschland bestimmt werden. Als Definitionsmerkmale wurden Aktualität, Universalität, Periodizität, Publizität und Autonomie herangezogen. Von 1242 geprüften Angeboten konnten 503 als journalistische Internetangebote eingestuft werden. Nur-Internetangebote hatten daran einen Anteil von 23 Prozent. Der Kernbereich des Internetjournalismus besteht also im Wesentlichen aus den Internetablegern traditioneller Massenmedien. Hier überstanden relativ viele Tageszeitungen die Prüfung. Die deutliche Mehrheit der Publikumszeitschriften und Rundfunkangebote schied dagegen aus, weil sie zu selten aktuelle Inhalte veröffentlichten oder keine vollständigen Beiträge ins Netz stellten. Die geringe Zahl relevanter Weblogs bestätigt die Vermutung, dass Blogger nur punktuell journalistische Leistungen erbringen.

In der Anbieterbefragung wurde u.a. nach der Identität und Leistung der Internetangebote, der personellen Ausstattung und den Qualifikationsmerkmalen gefragt, ferner nach der Beziehung zum Muttermedium (sofern vorhanden) sowie der Ausschöpfung des technischen Potenzials. Die Befunde legen nahe, dass zwischen dem professionellen Journalismus sowie den partizipativen und technischen Angeboten im Internet vor allem eine vielschichtige komplementäre Beziehung besteht, weniger ein Konkurrenzverhältnis. Weblogs, Nutzerplattformen und (Nachrichten-)Suchmaschinen sind für die journalistische Recherche wichtig geworden. Auffallend ist die Vorbildfunktion von Spiegel Online, das 61 Prozent der Befragten hervorhoben. Durch die wechselseitige Thematisierung und Kommentierung beeinflussen sich journalistisch-professionelle und partizipative Angebote. Die Nutzerbeteiligung auf journalistischen Websites erscheint allerdings noch als Experimentierfeld. Die eigentliche Bedrohung des Internets für den professionellen Journalismus wird  nicht auf dem Publikums-, sondern auf dem Werbemarkt gesehen: Neue Werbeträger im Internet stellen die Querfinanzierung des Journalismus durch Werbeerlöse infrage.

MP 4/2009, S. 174-188



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