Heft 10

Renate Dörr/Jan Wiesner

Zwischen Wirtschaft und Kultur: 20 Jahre EU-Fernsehrichtlinie

Grundlinien europäischer Medienpolitik

Im Oktober 1989 wurde die so genannte Fernsehrichtlinie von der Europäischen Union erlassen, die seither als das Kernstück europäischer Medienpolitik gilt. Im Verlauf von 20 Jahren wurde die Fernsehrichtlinie zur „Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“ (AVMD-Richtlinie) weiterentwickelt und reguliert nun sowohl klassische lineare Fernsehdienste als auch nicht-lineare Abrufdienste. Ihre Grundlinien gelten jedoch nach wie vor, weiterhin bestimmend ist auch das Spannungsverhältnis zwischen kulturellen und ökonomischen Zielsetzungen. Seit der Verabschiedung der ursprünglichen Richtlinie 1989 wurde auf europäischer Ebene eine Vielzahl weiterer Regelungen verabschiedet, die mindestens ebenso viel Einfluss auf die Medienpolitik der Mitgliedstaaten haben wie die AVMD-Richtlinie, darunter das europäische Beihilferecht, der Regulierungsrahmen für elektronische Kommunikation (so genanntes Telekompaket), die Urheberrechtsgesetzgebung sowie Richtlinien im Bereich Verbraucherschutz.

Im Mittelpunkt des Beitrags stehen fünf Themenbereiche, die sich aus den Regelungen der AVMD-Richtlinie ergeben, gleichzeitig aber über diese hinausweisen: Technologieneutralität, kulturelle Vielfalt, Gleichgewicht zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Jugend- und Verbraucherschutz, Informationsfreiheit sowie Sicherung des Zugangs. Diese stellen die Grundlage des europäischen audiovisuellen Modells dar und konstituieren dessen Besonderheit: Ein Modell, das ein stabiles duales System unterstützt und den Doppelcharakter der audiovisuellen Medien als Wirtschafts- und Kulturgut anerkennt, schützt und fördert.

Diese Prinzipien sind in vielfältiger Weise in die verschiedenen Regelungen eingeflossen. Teilweise verbesserungswürdig ist die Realisierung in der Praxis: Zu nennen wäre hier etwa eine konsequente Umsetzung des Prinzips der Technologieneutralität bei urheberrechtlichen Fragen grenzüberschreitender audiovisueller Medienangebote. Eine entsprechende Reform, die der heute weitgehend grenzenlosen digitalen Medienwelt gerecht wird, sollte in den kommenden Jahren auf europäischer Ebene in Angriff genommen werden.

MP 10/2009, S. 544-553



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