Heft 10

Michael Libertus

Netzneutralität und offenes Internet im Lichte neuerer Entwicklungen

Überblick über die aktuelle Debatte in Deutschland und der EU

Fragen der sogenannten Netzneutralität gehören seit einigen Jahren zu den zentralen Diskussionsthemen im Bereich der Netzpolitik und des Telekommunikationsrechts – sowohl auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten. Neuen Auftrieb hat die Diskussion auf nationaler Ebene erfahren, seit die deutsche Telekom ankündigte, ab Mai 2013 bei neu abgeschlossenen DSL-Verträgen für Internet und Festnetz eine Drosselung der Übertragungsgeschwindigkeit vorzusehen, sobald das Datenvolumen die Marke von 75 GB im Monat überschreitet. Davon ausgenommen sollen allerdings Telekomangebote wie Entertain sowie Sprachtelefonie sein, ebenso Dienste einiger Telekompartner wie Spotify.
Hierdurch stellen sich neue Fragen zum Verhältnis von Best-Effort-Internet, also der Gleichbehandlung aller Datenpakete im Internet, und Managed Services. Die Technik der sogenannten Deep Package Inspection (DPI) erlaubt Priorisierungen von Daten, da Einzelheiten bei den versendeten Datenpaketen ohne Zeitverlust ausgelesen und analysiert werden können. Neue Exchange-Protokolle machen es außerdem möglich, dass Netzbetreiber Managed Services für Dritte netzübergreifend anbieten können. Für die Internet Service Provider (ISP) entsteht dadurch die Möglichkeit neuer Einnahmequellen.

In dieser Situation kommt den gesetzlichen Weichenstellungen auf europäischer und nationaler Ebene große Bedeutung zu. Dargestellt werden die bisherigen Regulierungsansätze der EU und deren aktuelle Aktivitäten zur Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens. Für Deutschland werden die Vorgaben der TKG-Novelle vom Mai 2012, der Zwischenbericht der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages und der Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWI) zur Netzneutralität vom Juni 2013 vorgestellt. Ferner wird das Instrumentarium des Rundfunkstaatsvertrags im Hinblick auf Fragen der Netzneutralität betrachtet und auf das Positionspapier von ARD und ZDF zu Netzneutralität und Diensteklassen vom März 2013 eingegangen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist der offene und diskriminierungsfreie Zugang zum Internet eine entscheidende Voraussetzung für dessen Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit. Nicht zuletzt geht es beim Thema Netzneutralität um die gesellschaftspolitische Frage nach der Teilhabe des Einzelnen, aber auch von nicht marktmächtigen Inhalteanbietern an der Informationsgesellschaft.

MP 10/2013, S. 462-470



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