Aufstieg und Ausverkauf der europäischen Produktionsgruppen
US-Dominanz im internationalen Markt für Fernsehproduktionen
Viele Jahrzehnte waren US-amerikanische Unternehmen die unangefochtenen Marktführer im weltweiten Handel mit unterhaltenden Fernsehprogrammen. Die US-Fernsehbranche galt als Leitbild für Innovation im Bereich kommerziell erfolgreicher Formate. In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts gelang es einigen europäischen Unternehmen, diese Vorherrschaft zeitweilig aufzubrechen und international nachgefragte Programmkataloge aufzubauen.
Als Schlüsselereignis erwies sich für den internationalen Handel mit Fernsehformaten der weltweite kommerzielle Erfolg von Formaten wie „Survivor“ (1997, Strix/SVT, Schweden), „Who Wants to Be a Millionaire?“ (1998, Celador/ITV, Großbritannien) oder „Big Brother“ (1999, Endemol/Veronica, Niederlande). Vor allem im Bereich des Reality-TV und des Factual Entertainment waren europäische Produzenten wegweisend. Dem Beispiel der Firmen Endemol und Fremantle Media folgend, etablierte sich ein neues Geschäftsmodell, mit dem sich sowohl Umsätze als auch Profite steigern ließen: Statt lediglich die Lizenzen für Formate international zu vertreiben, strebten die Eigentümer von Formaten nun an, diese Formate selbst in den einzelnen Märkten in Fernsehsendungen umzusetzen.
Die größeren europäischen Produzenten entwickelten sich so zu ernsthaften Konkurrenten für die zunächst nur zögerlich in dem neuen Markt aktiven US-Konzerne. Sony Pictures läutete 2008 mit der Übernahme der Firma, welche unter anderem die Rechte an „Who Wants to Be a Millionaire?“ besaß, eine Welle von Übernahmen europäischer Firmen durch amerikanische Konzerne ein. Es folgten ähnliche Akquisitionen von Warner Bros. und vor allem 21st Century Fox. Inzwischen sind fast alle größeren, ehemals unabhängigen europäischen Unternehmen im internationalen Markt der Fernsehunterhaltung in amerikanischer Hand. Europa hat damit zwar als Standort für Fernsehproduktionen und die Entwicklung erfolgreicher Fernsehformate an Bedeutung deutlich gewonnen, doch die Übernahmeaktivitäten der letzten Jahre haben die Marktposition der US-Konzerne insgesamt gestärkt.
Potenziell schädliche Konsequenzen hat diese Entwicklung sowohl für die Produktion und Distribution von Fernsehprogrammen als auch für die Medienpolitik und Regulierung in Europa. Auch wegen der unterschiedlich strukturierten nationalen Märkte sind weitergehende Analysen und Fallstudien nötig.
MP 1/2017, S. 36-51
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