Heft 3

Manfred Krupp

Editorial

Immer wieder wird gesagt, das klassische Fernsehen sei vom Aussterben bedroht. Zu Unrecht, wie die Medienforschung bei der Betrachtung der Fernsehgewohnheiten und -reichweiten 2016 gezeigt hat. Das Fernsehen lebt und ist nach wie vor äußerst populär. Durchschnittlich 223 Minuten wurden im vergangenen Jahr täglich ferngesehen, elf Minuten länger als noch vor zehn Jahren. Der viel beschworene Medienwandel zeichnet sich zwar auch im konkreten Zuschauerverhalten ab. Aber noch erreichen die Sendungen in den zeitunabhängigen Onlineangeboten im Vergleich zum klassischen Fernsehen einen Bruchteil an Zuschauern. Beispiel „Tatort“: Eine Folge wird durchschnittlich 200 000 Mal in der Mediathek abgerufen, das ist etwas mehr als 1 Prozent der 17 Millionen Zuschauer, die die Sendung sonntagabends im Ersten einschalten. 

Auch die jüngeren Generationen nutzen das klassische Fernsehen nach wie vor. Die „Tagesschau“ um 20.00 Uhr beispielsweise ist beim älteren und beim jüngeren Publikum die meistgesehene Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen. Speziell bei den Nachrichten ist das Zuschauerinteresse generationenübergreifend stabil geblieben, und die Angebote im Internet werden zusätzlich wahrgenommen. Offenbar verlagert sich der Nachrichtenkonsum hier nicht ins Internet, sondern bedient in den digitalen und linearen Medien ein gesteigertes Informationsbedürfnis (Seite 130). Es wird darauf ankommen, dass wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit unseren Inhalten auch auf digitalen Plattformen die Menschen erreichen, denn die Videonutzung im Internet nimmt auch bei Älteren überdurchschnittlich zu. Gleichzeitig bleibt für uns der Kernauftrag, dass wir die Menschen informieren und unterhalten – unabhängig vom Verbreitungsweg. 

Auch die Integration aller Bevölkerungsgruppen gehört im Sinne eines relevanten „Angebots für alle“ zu unseren gesellschaftlichen Aufträgen. Wie eine Studie zur Mediennutzung von Menschen mit Beeinträchtigungen bestätigt, ist der Großteil der Befragten mit der Barrierefreiheit im deutschen Fernsehen und speziell mit den öffentlich-rechtlichen Programmen zufrieden (Seite 145). Die Angebote werden angenommen, auch wenn es in einzelnen Bereichen Verbesserungspotenzial gibt.
 

MP 3/2017, S. 129

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