Lügenpresse-Hysterie ebbt ab
Mainzer Langzeitstudie "Medienvertrauen"
Aus den Ergebnissen der nunmehr vierten Welle der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen lässt sich für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren die Erkenntnis ableiten, dass die „Lügenpresse“Hysterie der vergangenen Jahre und der damit einhergehende Eindruck einer dramatischen Vertrauenserosion offensichtlich übertrieben waren. Das Vertrauen und die Nutzung insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Presse sind in Deutschland noch immer vergleichsweise groß und stabil. Das Internet insgesamt verliert weiter an Vertrauen, allerdings variieren die Vertrauenswerte zwischen einzelnen Onlineangeboten. Die Deutschen scheinen mehrheitlich zu wissen, was sie an ihren Medien haben – aber sie sind dabei keineswegs blauäugig oder unkritisch. Vielmehr ist der Mehrheit bewusst, dass es Einseitigkeiten, Verzerrungen und Fehler in journalistischen Darstellungen gibt.
Jedoch haben die populistischen Anfechtungen der vergangenen Jahre Spuren hinterlassen. Eine nennenswerte Zahl von Menschen sieht sich weiterhin in Fundamentalopposition zu den „Mainstream-Medien“, und gerade bei jüngeren Mediennutzern können die etablierten Medien nicht darauf vertrauen, dass sich das Vertrauen in die traditionellen journalistischen Marken ungebrochen und von allein in die Zukunft tragen lässt.
Ein Teil der Gegnerschaft zu den Medien geht mit Gefühlen der Entfremdung sowie mangelndem Medienwissen einher. Hier sind sowohl Medien als auch die Gesellschaft gefordert: Dem Wunsch, mit den eigenen Ansichten und der eigenen Lebenswirklichkeit besser wahrgenommen zu werden, kann mit journalistischen Maßnahmen begegnet werden. So könnte die Berichterstattung ergebnisoffener und weniger voreingenommen sein, dem Meinungspluralismus mehr Rechnung tragen sowie unterschiedliche Themen und Milieus sensibler aufgreifen. Auf der Ebene der Medienbildung erscheint es notwendig, eine kompetente Auseinandersetzung mit Journalismus, Informationen und ihrer Qualität noch intensiver zu fördern. Allerdings ist nicht nur die Bildungspolitik gefordert, sondern auch der Journalismus selbst: Probleme nicht verschweigen, Fehler offenlegen und an ihnen arbeiten, Leistungen erklären – damit können auch Journalisten zu einem vertrauensstärkenden Diskurs beitragen
MP 4/2018, S. 150-162
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