Agenda-Setting in der digitalen Medienwelt
Evolution eines Ansatzes der Medienwirkungsforschung
Der Agenda-Setting-Ansatz der Medienwirkungsforschung wurde bereits 1972 formuliert. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Massenmedien durch die Auswahl und Präsentation von Themen einen starken Einfluss darauf haben, was das Publikum für wichtig hält. Erstmals überprüft wurde der Ansatz im Kontext des US-Präsidentschaftswahlkampfs von 1968: Die Rangordnung der von den Bürgern einer Kleinstadt genannten „wichtigen“ Themen, die sogenannte Publikumsagenda, korrelierte sehr hoch mit der Rangordnung der Themen, über die in dieser Zeit in den Medien häufig berichtet wurde, der sogenannten Medienagenda. Diese Agenda-Setting-Funktion der traditionellen Massenmedien wird im Allgemeinen positiv bewertet, denn sie dient der Homogenisierung und Integration in einer Zivilgesellschaft, die ihre Aufmerksamkeit auf ein Set gemeinsamer und öffentlich relevanter Themen richtet bzw. richten kann.
Die Zahl der Studien zum Agenda Setting ist besonders seit den 2000er Jahren deutlich gestiegen. Durch die digitale Transformation ist die Agenda- Setting-Forschung jedoch herausgefordert, sich konzeptionell und methodisch weiterzuentwickeln. Nachrichten- und Informationsflüsse sind nicht mehr eindimensional und verlaufen weniger in eine Richtung, nämlich top-down, sondern sind zunehmend dynamisch, interaktiv, rekursiv und iterativ. Am Prozess der Nachrichtengenerierung und -verbreitung sind im Internet nicht mehr nur professionelle Gruppen (Journalisten, journalistische Organisationen) beteiligt, auch virtuelle Communitys und Einzelakteure sind in die Themensetzungsprozesse involviert. Die Agenda-Setting-Forschung muss sowohl die intermedialen Beziehungen (z. B. zwischen klassischen und Onlinemedien) im Blick haben als auch die Besonderheiten der Informationsgenerierung im Internet (z. B. soziale Medien, Intermediäre, Suchmaschinen) berücksichtigen.
Der klassische Ansatz des Agenda Setting wurde daher in der jüngeren Vergangenheit durch Konzepte, Modelle und Theorien aus der Kommunikationswissenschaft und der medienpsychologischen Forschung erweitert und differenziert, vor allem auch um die individuellen Aspekte bezüglich der Selektion, Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen besser erfassen und erklären zu können.
MP 3/2019, S. 126-140
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