Heft 6

ARD-Forschungsdienst

Unterhaltung als wertvolle Erfahrung bei der Mediennutzung

In den Medien spielt Unterhaltung eine große Rolle – sowohl hinsichtlich des Umfangs und der Vielfältigkeit der Angebote als auch der intensiven Nachfrage durch das Publikum. Nach dem sogenannten Zwei-Prozess-Modell kann sich Unterhaltung durch Medien in Form von Vergnügen bei der Rezeption entsprechender Inhalte einstellen. Während hedonistische Gratifikationen (z. B. Freude, Spaß) ohne viel Anstrengung zu erreichen sind, ist für eine sogenannte eudaimonische Unterhaltungserfahrung ein gewisses Engagement der Rezipienten notwendig. Dies bedeutet, sie müssen sich aktiv mit den emotionalen und kognitiven Herausforderungen, die eudaimonische Unterhaltungsangebote an sie stellen, auseinandersetzen. Dadurch entstehen Gratifikationen, die über die bloße Entspannung hinausgehen und zur Erweiterung persönlicher Ressourcen beitragen können. Die Entscheidung für hedonistische oder eudaimonische Unterhaltungsangebote ist unter anderem abhängig vom Grad der psychischen Erschöpfung, die Rezipienten empfinden.

Gleichzeitig sind es die Inhalte der Unterhaltungsangebote selbst, die emotionale und kognitive Reaktionen bei den Zuschauern anstoßen können. Sie können zum Beispiel Gefühle von Nostalgie auslösen, eine Erfahrung, bei der sich die Rezipienten mit sich selbst und ihrer „medialen“ Vergangenheit beschäftigen. Auch konnte in Studien gezeigt werden, dass Menschen sich reifer und weiser verhalten, wenn sie zuvor Videoclips gesehen hatten, die eine Art Wehmut und Schmerzlichkeit erzeugten. Eudaimonische Unterhaltungsgratifikationen können auch die Informationsverarbeitung bei der Rezeption von politischen Talkshows unterstützen. Zuschauer „dürfen“ sich bei solchen Shows durchaus unterhalten und profitieren sogar davon – vorausgesetzt, die Unterhaltung beschränkt sich nicht auf bloßes Vergnügen.

Weitere Studien zeigen, dass eudaimonische Unterhaltungserfahrungen Altruismus und prosoziale Gedanken fördern können. Beispiele von Tugend und menschlichem Verhalten scheinen die Bedeutung moralischer Werte zu erhöhen und für die Rezipienten relevant zu sein. Insgesamt geht die Forschung davon aus, dass wertvolle Unterhaltung in den Medien einen signifikanten Beitrag zum psychologischen Wohlbefinden der Rezipienten und zugleich einen Beitrag zu einer funktionierenden Gesellschaft leisten kann, indem bedeutsame Medienerfahrungen dazu führen, über die Beschränktheit der eigenen Sichtweise einen Blick für das größere Ganze zu gewinnen.

 

MP 6/2019, S. 303-308



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