Heft 3

Manfred Krupp

Editorial

Wie oft haben Sie es sich im letzten Jahr vor dem Fernseher auf der Couch gemütlich gemacht? Vielleicht nicht so ausgiebig wie im Jahr davor, denn auch 2019 hat im dritten Jahr in Folge die TV-Sehdauer in Deutschland insgesamt leicht abgenommen. Das beschreiben Camille Zubayr (Das Erste), Denise Haddad und Lea Hartmann (beide ZDF) in ihrem Beitrag „Tendenzen im Zuschauerverhalten“. Während die Fernsehzeit der Älteren weitgehend stabil bleibt, verringert sie sich bei der jüngeren Zielgruppe. Das ZDF bleibt der meistgesehene Sender vor dem Ersten und RTL. Die größten Zuschauerzahlen hatten wieder Formate wie die „Tagesschau“ und der „Tatort“ sowie Übertragungen von König Fußball – auch ohne Welt- oder Europameisterschaft. Die leicht rückläufige Sehdauer im linearen Fernsehen bedeutet jedoch nicht, dass insgesamt weniger Zeit vor dem Bildschirm verbracht wird. Inhalte werden auf Abruf zeitsouverän auf Fernsehern, Computern oder mobilen Endgeräten konsumiert. Besonders die 14- bis 29-Jährigen nutzen dieses Angebot mehr als das klassische lineare Fernsehen. Eines dieser zeitsouveränen Angebote ist die ARD-Mediathek, deren Abrufzahlen sich kontinuierlich steigern und die wir weiter verbessern und ausbauen. Bei einigen TV-Formaten trägt die Mediathekennutzung bereits mit mehr als 10 Prozent zur konvergenten Reichweite bei.

Einer der Gründe für die veränderte Mediennutzung sind die sogenannten Intermediäre – wie zum Beispiel Google, Facebook oder YouTube. Auch die öffentlich- rechtlichen Sender bieten hier vielfältige Angebote – neuestes Beispiel ist die Präsenz der „Tagesschau“ bei TikTok. Hier sollen besonders die Jüngsten erreicht werden, die sich teilweise nur noch über die sozialen Netzwerke informieren. Doch die Plattformen selektieren die Inhalte mit Hilfe von Algorithmen. In dem seit Ende letzten Jahres vorliegenden Medienstaatsvertrag wird versucht, mehr Transparenz zu schaffen und eine systematische Diskriminierung redaktionell-journalistischer Inhalte zu vermeiden. Eine Expertenbefragung hat aber ergeben, dass dieses Transparenz- und Diskriminierungsverbot praktisch schwer umzusetzen sein wird. Ist ein kontinuierliches Monitoring von Intermediären hilfreich, und inwieweit können die betroffenen Medienunternehmen dieses aktiv mitgestalten? Entscheidend wird sein, weiterhin eine Vielfalt an journalistischen Angeboten zu bieten. Denn das Diskriminierungsverbot kann nur funktionieren, wenn die Algorithmen auf eine Vielfalt an journalistischen Inhalten zugreifen können.

 

MP 3/2020, S. 109

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