Heft 5

Manfred Krupp

Editorial

Ob Corona langfristig die deutschen Fernsehprogramme verändern wird oder ob sich das Jahr 2020 als ereignisbedingte Schwankung in Programmstrukturen niederschlägt wie in anderen Jahren große Sportereignisse – darüber ließe sich derzeit nur spekulieren. Belastbare Aussagen wird dazu die ARD/ ZDF-Forschungskommission in den nächsten Jahren treffen können, sie gibt unter anderen die ARD/ ZDF-Programmanalyse Fernsehen heraus. Was man heute allerdings schon sagen kann: Die Stärke, Vielfalt und Qualität der Informationsangebote der öffentlich- rechtlichen Sender, die die Studie seit Jahren belegt, sind in Krisenzeiten für die Gesellschaft besonders wichtig. Und diese Angebote werden auch in besonderem Maße wahrgenommen und genutzt.

Die ARD-/ZDF-Programmanalyse Fernsehen untersucht und vergleicht die Sender mit der größten Zuschauerreichweite in Deutschland. Die aktuellen Zahlen zeigen für 2019, dass journalistische Information bei ARD und ZDF breit über den Tag verteilt angeboten wurde und jeweils über 40 Prozent des Programms eingenommen hat. Bei den privaten Sendern RTL, Sat.1 und VOX lag der Anteil zwischen 12 und 24 Prozent, und Informationsangebote wurden vor allem am frühen Morgen, in der Primetime oder nachts gesendet. Nicht nur in der Programmstruktur zeigen sich deutliche Unterschiede. Die inhaltliche Analyse ergibt, dass auch die Schwerpunkte anders gesetzt werden. Der Politikanteil lag bei ARD und ZDF jeweils bei knapp 15 Prozent, bei RTL und Sat.1 bei rund 2 Prozent. Über deutsche Politik berichteten ARD und ZDF gut zwei Stunden täglich, RTL und Sat.1 dagegen 21 beziehungsweise 15 Minuten pro Tag. Wie in den vergangenen Jahren belegen die Zahlen die Stärke der öffentlich-rechtlichen Sender als Informationsanbieter.

Forschungen und Analysen wie diese helfen, langfristige Entwicklungen zu beobachten und einzuordnen. Sie erweitern aber auch die eigene Wahrnehmung, hinterfragen subjektive Überzeugungen und liefern unter Umständen andere Perspektiven. Zum Thema „Klimawandel und Klimapolitik“ wurden Befragungen zur Berichterstattung im Umfeld der UN-Klimagipfel 2015, 2018 und 2019 ausgewertet. Sie zeigen, wie ein bis dato Nischenthema im öffentlichen Diskurs an Bedeutung gewinnt – auch in der medialen Berichterstattung. Darüber hinaus hat sich der Fokus vom stark wissenschaftlichen Aspekt auf soziale, politische und ökonomische Aspekte verlagert. Die klassischen journalistischen Medien, und da vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk, behaupten der Studie zufolge auch hier ihre zentrale Rolle bei der Information über komplexe politische Ereignisse.

MP 5/2020, S. 225

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