Heft 6

Manfred Krupp

Editorial

Obwohl heute noch niemand seriös sagen kann, wie sich die Gesellschaft langfristig durch Corona verändern wird – schon jetzt steht fest, dass die vergangenen Monate einen immensen Digitalisierungsschub gebracht haben. Das hat vielerorts die Art und Weise der Zusammenarbeit gewandelt. Es ist darüber hinaus auch bei der Nutzung der Medien spürbar: Die Hemmschwelle in Richtung digitale Medien ist insgesamt gesunken. Und – für uns besonders wichtig – junge Menschen, digital orientierte Menschen, die die öffentlich-rechtlichen Angebote kaum noch genutzt haben, haben in der Krise den Kontakt wieder aufgenommen.

Das hängt sicher mit der Glaubwürdigkeit zusammen, die Qualitätsmedien insgesamt und der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Besonderen nach wie vor haben. Die aktuellen Ergebnisse der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen aus dem Herbst 2019 zeigen, dass 67 Prozent der Menschen dem öffentlich- rechtlichen Fernsehen vertrauen und 65 Prozent den regionalen beziehungsweise 55 Prozent den überregionalen Zeitungen. Dabei ist die Zustimmung seit vier Jahren weitgehend konstant.

Es zeigt sich der Studie zufolge aber auch eine stärkere Polarisierung: Etwa jede/r Vierte vertraut den Medien bei umstrittenen Themen nicht. Für etablierte Medien bedeutet das Herausforderung und Verpflichtung in einem, denen sie mit verlässlicher, unabhängiger Information begegnen. Es geht darum, Orientierung zu bieten und gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen. Wie wichtig das ist, hat die Corona-Krise eindrücklich bestätigt. Und es geht darum, die gerade gewonnenen digital orientierten Nutzerinnen und Nutzer nach der Krise weiterhin mit überzeugenden Angeboten zu erreichen – dort, wo sie Medien nutzen.

Wie entwickelt sich der Wettbewerb zwischen globalen Digitalkonzernen und traditionellen Medienunternehmen in den nächsten zehn Jahren? Das war die Frage einer Studie zur Digitalisierung des Audio- und Videomarkts bis 2030. Es braucht ihr zufolge innovative Strategien und eine wirksame Stärkung der nationalen Anbieter, damit diese in der beschleunigten digitalen Transformation eine Chance haben, konkurrenzfähig zu bleiben. Die Ergebnisse der Studie stammen von Ende 2019 – also aus der Zeit vor Corona. Sie bekommen durch die aktuellen Entwicklungen eine noch stärkere Dringlichkeit. Der Druck, immer schnell auf Veränderung reagieren zu müssen, um mit der beschleunigten Entwicklung Schritt halten zu können, ist größer denn je.

 

MP 6/2020, S. 305

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