Heft 9

Uli Gleich

Uses-and-Gratifications im Wandel der Zeit

Entwicklung eines kommunikationswissenschaftlichen Ansatzes

Der Uses-and-Gratifications-Ansatz repräsentiert eine zentrale Perspektive der Medienforschung, die die Rezipienten bzw. die Nutzer ins Zentrum des Interesses rückt und die zu einem fundamentalen Perspektivwechsel in der Forschung geführt hat („Was machen die Menschen mit den Medien?“). Medienwirkungen als einen komplexen Prozess zu verstehen, bei dem grundlegende Bedürfnisse der Nutzer, gelernte Erwartungen an die Medien(inhalte), motivierte (bewusste und unbewusste) Auswahlentscheidungen und -prozesse sowie die Bewertung der durch die Nutzung erhaltenen Gratifikationen eine Rolle spielen und miteinander interagieren, ist der Verdienst des Uses-and-Gratifications-Ansatzes. Diese Perspektive wurde inzwischen weiterentwickelt und an die Evolution des digitalisierten Medienangebots angepasst.

Mit der Etablierung kommunikationswissenschaftlicher und medienpsychologischer Forschung haben sich inzwischen eigenständige Forschungsbereiche entwickelt, die einen erweiterten Blick auf die Funktionen und Wirkungen von Medien(angeboten) richten und die psychologischen Prozesse in der komplexen Beziehung „Mensch – Medien“ theoretisch explizieren und empirisch untersuchen. Auf dieser Basis wurden neue Erklärungsansätze, wie Mood Management, Mood Adjustment, das Zwei-Prozess- Modell, die TEBOTS- sowie SESAM- Theorie entwickelt. Auch die Entwicklung von Theorien, wie Unterhaltung funktioniert, welche Rolle emotionale Prozesse bei der Auswahl, Verarbeitung und Wirkung von entsprechenden Medienangeboten spielen und welche Funktionen narrative Unterhaltungsangebote für die Nutzer haben, basieren auf den Ansätzen der Uses-and-Gratifications-Forschung. Im Sinne des Uses-and-Effects-Gedankens ist die Perspektive erweitert und Prinzipien wie Selektivität, Konditionalität und Wechselseitigkeit zu zentralen Aspekten der Mediennutzungs- und Wirkungsforschung geworden.

MP 9/2021, S. 461-476



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