Heft 5

Christian Zabel/Frank Lobigs

Crowding-in-Effekte der öffentlich-rechtlichen Werbevermarktung

Eine Analyse am Beispiel des österreichischen Werbemarktes und Medienstandortes

Im Rahmen der Beratungen über die Novellierung des ORF-Gesetzes (ORF-Digitalnovelle) wird in Österreich eine medienpolitische Diskussion über die weitere Ausrichtung und die Entwicklungsperspektiven des öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens geführt. Eine im Zusammenhang mit vielen anderen Aspekten diskutierte Option ist eine Beschränkung der Refinanzierungspotenziale des ORF über den Werbemarkt. Vor dem Hintergrund medienpolitischer Bewertungen stellt sich die Frage, inwieweit der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender durch die Werbevermarktung seiner Inhalte der inländischen Medienwertschöpfung tatsächlich nützt, bzw. ein Werbeverbot schaden würde.

Im Rahmen eines für ORF Enterprise erstellten Gutachtens zeigt sich in aufwändigen Analysen, dass der Medienstandort Österreich von Werbeverboten oder spürbaren Einschränkungen der Werbevermarktung des ORF nicht profitieren würde. Vielmehr wäre bei einem Wegfall der Werbemöglichkeiten des ORF in Fernsehen und Hörfunk mit Wertschöpfungsverlusten alleine in der Medienwirtschaft von deutlich mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr zu rechnen. Die Verluste kommen insbesondere durch den umfangreichen Abfluss der Werbebudgets ins Ausland zustande, ohne dass die negativen Konsequenzen für den Medienproduktionsstandort Österreich auch nur im Ansatz kompensiert würden. Vielmehr würden sich die Wertschöpfungsverluste nahezu vollständig auch in Verlusten für die heimische Medienproduktion niederschlagen. Hierdurch würden nicht nur viele Medienproduzenten in Österreich erhebliche Einkommensrückgänge oder Arbeitsplatzverluste beklagen müssen, auch für die Medienkonsumenten würde die Vielfalt des Medienangebots in der Folge vermutlich spürbar abnehmen.

Im Ergebnis wird der ORF benötigt, um einen funktionsfähigen Anbieterwettbewerb für die werbetreibende Wirtschaft in Österreich zu ermöglichen und zu erhalten. Deshalb ist aus ökonomischer Sicht auch zur Vorsicht zu raten, wenn gefordert wird, die Wettbewerbsinstrumente des ORF einseitig zu beschneiden. Der ORF sollte sich gegen ansonsten übermächtige „Giants-Next-Door“ oder „Global-Digital-Giants“ behaupten können.

MP 5/2022, S. 206-220



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