Editorial
Das Corona-Virus wird uns wohl dauerhaft begleiten, es gibt inzwischen trotzdem schon erste rückblickende Studien dazu. Wissenschaftler der FU Berlin sind der Frage nachgegangen, wie Medien in den vergangenen Jahren mit dem Thema Covid umgegangen sind. Sie haben dafür die Talkshows „Anne Will“, „Hart aber fair“ und „Maybrit Illner“ untersucht und Themen- und Gästestruktur ausgewertet. Wessen Stimmen wurden gehört? Welche Themen waren bestimmend? Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das im Laufe der Pandemie verändert hat.
Stand zu Beginn der Pandemie im Vordergrund, über Corona-Maßnahmen zu informieren, zeigt sich später auch in der Gästestruktur der verstärkte Bedarf nach Diskussion und Auseinandersetzung. Von insgesamt 308 Gästen hatten zwei Drittel nur einen Auftritt. Regelmäßig vertreten waren Virologinnen, Virologen sowie Politikerinnen und Politiker, allen voran Karl Lauterbach. Information oder Unterhaltung? Talkshows bedienen beide Bedürfnisse. Sie sind damit gerade in Krisen – sei es Corona, der Ukraine-Krieg oder die Energiekrise – ein Programmformat, das für den gesellschaftlichen Diskurs eine wichtige Rolle spielt.
Oft werden Unterhaltung und Information als Gegensätze gehandelt. Eine weitere Studie bestätigt, dass dem nicht so ist: Der ARD-Forschungsdienst berichtet von einer amerikanischen Untersuchung, der zufolge Programmangebote, die unterhaltend mit einer emotionalen Erfahrung einhergehen, die Denk- und Handlungsmuster erweitern und zu positivem Wachstum führen können. Gerade um relevante gesellschaftliche Fragen besser zu verstehen und Neues zu lernen, ist es hilfreich, wenn zur Information das Unterhaltende hinzukommt. Nicht zuletzt fördert es den Abbau von Stress und Anspannung und damit die Bereitschaft, sich mit herausfordernden Themen überhaupt zu beschäftigen. Medienmacher können diesen Ergebnissen noch eine grundsätzliche Lehre hinzufügen: Das Gegenteil von Unterhaltung ist nicht Information, sondern Langeweile.
MP 11/2022, S. 505
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