Europäische Medienpolitik auf neuen Wegen?
Initiativen der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments
Die Politik der Europäischen Union (EU) betrachtete den Medienbereich lange nur im Hinblick auf dessen wirtschaftliche Implikationen. Am Beispiel des ungarischen Mediengesetzes von 2010 zeigte sich jedoch, dass der EU ein Instrumentarium fehlte, das schärfere Interventionen im Medienbereich auch über wirtschaftliche Fragen hinaus ermöglicht.
Mittlerweile haben sich die Handlungsmöglichkeiten der Union in Bezug auf den Mediensektor erweitert. Obwohl die Regulierung kultureller Aspekte weitgehend in der nationalen Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt, wurde der Gemeinschaft im Vertrag von Maastricht die Aufgabe auferlegt, kulturellen Aspekten bei ihren Entscheidungen Rechnung zu tragen. Mit der Grundrechtecharta, der Festschreibung europäischer Werte im EU-Vertrag, dem Rechtsstaatlichkeitsmechanismus und getrieben durch das Europäische Parlament, kann die Kommission ihre medienpolitischen Aktivitäten an der Maxime orientieren, dass Medienangebote nicht nur ein Wirtschaftszweig, sondern auch ein öffentliches Gut sind.
Im Fokus stehen dabei – wie in Artikel 11 der Grundrechtecharta festgeschrieben – die Medienfreiheit und der Medienpluralismus. So wurde beispielsweise 2019 eine Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet sowie 2021 eine Initiative zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten vor Klagemissbrauch (SLAPP) gestartet. Mit dem Protokoll zum Vertrag von Amsterdam sicherten sich die Mitgliedstaaten zudem eine Zuständigkeit für die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten. Mit der wiederholten Betonung der unverzichtbaren Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und den beständigen Warnungen vor seiner Politisierung und der Bedrohung seiner Unabhängigkeit scheint die Europäische Kommission diesen nun auch in seinem Beitrag zum Medienpluralismus zu sehen. Vor allem das Europäische Parlament fordert die adäquate und von politischen Interessen unbeeinflusste Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien sowie unabhängige Aufsichtsinstitutionen.
MP 3/2022, S. 105-116
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