Heft 1

Iva Krtalic/Erk Simon

Regionale Informationsangebote und Menschen mit Einwanderungsgeschichte

Erwartungen, Nutzung und qualitative Kriterien am Beispiel des WDR

In keinem Bundesland leben so viele Menschen mit einer eigenen oder familiären Einwanderungsgeschichte wie in Nordrhein-Westfalen (NRW): 5,3 Millionen oder fast ein Drittel der Einwohner. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in NRW stellt sich deshalb die Frage, wie die gesamte Bevölkerung angesprochen und erreicht werden kann und in welcher Form die Gesellschaft in ihrer kulturellen und sozialen Vielfalt in den Medieninhalten dargestellt wird.

Die Ergebnisse einer WDR-Studie von 2019 und auch die Nutzungswerte belegen, dass Regionalnachrichten auch für Menschen mit Migrationsgeschichte von großer Bedeutung und während der Corona-Pandemie noch wichtiger geworden sind.

Das Projekt „Vielfalts Check“ ging nun – mit Hilfe qualitativer Interviews – der Frage nach, inwiefern die kulturelle Vielfalt des Sendegebiets im Programm sichtbar ist, und wie diese Pluralität an biografischen Hintergründen, an sprachlichen und kulturellen Praktiken, an Lebenswelten und Perspektiven der Menschen dargestellt wird. Dabei zeigte sich eine hohe Wertschätzung der regionalen Programmangebote. Allerdings empfanden einige Befragte, dass ihre Lebenswelt nicht ausreichend repräsentiert sei.

Die Darstellung von Vielfalt als Normalität wurde als häufigste Erwartung an das Programm genannt. Auch ein differenzierterer Blick und ein Bewusstsein für Themen der Menschen mit Einwanderungshintergrund ist ein zentrales Anliegen sowie multikulturelle Teams vor und hinter der Kamera. Dadurch werde mehr Vertrauen bei migrantischen Protagonisten entstehen, was die Kontaktaufnahme vereinfacht und neue Perspektiven auf Themen und ihrer Darstellung ermöglicht. Die Regionalberichterstattung birgt großes Potenzial, wenn es darum geht, die gesellschaftliche Vielfalt realistisch und fundiert darzustellen und das vielfältige Publikum zu erreichen. Die gesellschaftliche Dynamik nicht als Minderheitenthema zu betrachten, sondern sie zur Grundlage der täglichen Arbeit zu machen, ist zu einer zentralen journalistischen Aufgabe geworden.

MP 1/2022, S. 29-37



Zurück zur Übersicht