Informationsleistungen öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehvollprogramme im ersten Jahr des Ukrainekriegs
Ergebnisse der ARD/ZDF-Programmanalyse 2022
Kurz und Knapp
- Im Jahr 2022 dominierte der Ukrainekrieg die Berichterstattung der TV-Vollprogramme.
- Der Informationsanteil am Gesamtprogramm liegt bei Das Erste und dem ZDF seit Jahren deutlich über 40 Prozent.
- Bei RTL sind es inzwischen 29 Prozent, bei Sat.1 zwischen 15 und 17 Prozent und bei ProSieben 18 Prozent.
- Unverändert ist die größere Bedeutung politischer Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Anbieter.
- Das Erste und das ZDF berichten über Politik umfangreicher und vielfältiger als die privaten Anbieter, wie sich hinsichtlich der Sendungsformate und der Inhalte zeigt.
Ukrainekrieg beherrschte die TV-Berichterstattung 2022
Nach der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 gab es mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine auch 2022 ein beherrschendes Thema in der Berichterstattung der Fernsehvollprogramme. Anders als bei der Pandemie, die sich in vielfältigen Themenbezügen von der Politik, über Human-Touch bis hin zum Sport wiederfand, wurde der Krieg in der Ukraine nahezu ausschließlich im Rahmen der politischen Berichterstattung aufgegriffen.
Informationsanteil bei Das Erste und ZDF kontinuierlich über 40 Prozent
Der Anteil der Informationsangebote am Gesamtprogramm lag in den letzten Jahren bei Das Erste und dem ZDF durchgehend deutlich über der 40-Prozent-Marke und bei Sat.1 zwischen 15 und 17 Prozent. Veränderungen zeigen sich in den letzten zwei Jahren bei RTL mit einem Anstieg auf 29 Prozent und bei ProSieben auf 18 Prozent. Die von den beiden Sendern öffentlich angekündigten Ausweitungen des Informationsangebots äußerten sich bei ProSieben vorwiegend in mehr Magazinsendungen. Bei RTL wurde 2021 beispielweise das Nachrichtenangebot ergänzt und 2022 wurde, gemeinsam mit ntv, ein umfangreiches Angebot an Sondersendungen bereitgestellt.
Grundsätzlich bedeutet eine Ausweitung des Angebots an Informationssendungen jedoch nicht automatisch, dass auch mehr gesellschaftlich relevante, insbesondere politische Information gesendet wird. Tatsächlich zeigt sich aber für das Jahr 2022 sowohl bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern als auch bei RTL ein größerer Umfang der politischen Berichterstattung als im Vorjahr. Inwieweit dies insbesondere bei RTL auf eine langfristige Strategie oder vielmehr auf die Ereignislage im Untersuchungsjahr zurückzuführen ist, lässt sich nur durch kontinuierliche Untersuchungen des Informationsangebots klären. Bei Sat.1 ist der Umfang hingegen unverändert niedrig geblieben. Bei ProSieben entspricht der Umfang an Politikberichterstattung 2022 ungefähr demjenigen von Sat.1. Somit unterscheidet sich der Stellenwert von Politik im Gesamtprogramm bei den privaten Anbietern zwischen RTL und den beiden Programmen der ProSiebenSat.1 Media Group. Unverändert ist aber auch die größere Bedeutung der politischen Berichterstattung im Programm der öffentlich-rechtlichen Anbieter.
Umfangreichere und vielfältigere Berichterstattung bei ö.-r. Programmen
Der größere Umfang politischer Berichterstattung bei Das Erste und dem ZDF geht zum einen mit einer größeren Vielfalt von Sendungsformaten einher, in denen Politik überhaupt einen Platz hat. Zum anderen zeigt sich der Zusammenhang zwischen dem Umfang politischer Berichterstattung und deren inhaltlicher Vielfalt. Zu dieser gehört beispielsweise, dass politische Themen auch abseits des Ukrainekrieges und der Kriegsfolgen berücksichtigt werden, politische Vorgänge in unterschiedlichen Ländern der Welt Erwähnung finden oder Berichte in Zusammenhang mit Ostdeutschland vorkommen. So ist die umfangreiche strukturelle Verankerung von Informationssendungen mit Platz für Politik, wie sie von den öffentlich-rechtlichen Anbietern praktiziert wird, die Voraussetzung für deren inhaltliche Vielfalt.
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