Heft 2

Winfried Schulz

Vielseher im dualen Rundfunksystem

Sekundäranalyse zur Langzeitstudie Massenkommunikation

Nicht nur die Vermehrung des Programmangebots in den letzten zehn Jahren ist als Ursache für hohen Fernsehkonsum anzusehen. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Sekundäranalyse zur Langzeitstudie Massenkommunikation, die sich speziell dem Nutzungstyp der Vielseher widmet, haben Vielseher eine stärkere Bindung zum Fernsehen. Sie nutzen deutlich mehr Programme und Programmsparten als die Wenigseher, die ihr Programmrepertoire auf Informationssendungen beschränken. Außerdem verfolgen Vielseher häufiger private Programme, insbesondere SAT.1, RTL, RTL 2, PRO SIEBEN und VOX (in dieser Reihenfolge). Wer in größerem Umfang private Programme nutzt, zeigt zudem ein im Vergleich zu den Vielsehern öffentlich-rechtlicher Programme geringeres politisches Interesse. Wenigseher haben ein regeres Freizeitverhalten, das heißt sie besuchen häufiger Vereinsabende, wandern und treiben Sport, gehen häufiger aus und treffen sich öfter mit Freunden. Auch lesen sie häufiger Bücher, besuchen kulturelle Veranstaltungen und musizieren. Vielseher neigen eher zu innerhäuslichen Aktivitäten. Besonders Vielseher privater Programme äußern ein geringes Interesse an kulturellen und musischen Betätigungen. In der Einschätzung von Funktionen und Nutzen des Fernsehens stimmen die Vielseher öffentlich-rechtlicher und privater Programme weitgehend überein: Das Fernsehen halten Vielseher für besonders geeignet, ihr Bedürfnis nach Orientierung, Information und Teilhabe an der Öffentlichkeit, vor allem aber nach Entspannung und Anregung zu befriedigen. Darin liegt in ihren Augen der umfassende Nutzen des Fernsehens, den sie viel höher einschätzen als Wenigseher. Während allerdings die Informationsfunktion des Fernsehens für die Vielseher öffentlich-rechtlicher Programme bedeutsam ist, gilt dies weniger für die Vielseher privater Programme. Im allgemeinen nimmt die Disposition zu einer ausgiebigen Nutzung öffentlich-rechtlicher Programme mit zunehmendem Alter zu, private Programme werden umso eher extensiv genutzt, je jünger die Zuschauer sind. Je geringer die Bildung, desto mehr werden private Programme gesehen. Ferner ist die Neigung zum Vielsehen privater Programme in den neuen Bundesländern höher als in den alten.

MP 2/1997, S. 92-102



Zurück zur Übersicht