Heft 2

Wim Bekkers

Fernsehnutzung im digitalen Zeitalter

Das Konvergenzthema in Zuschauererwartungen und Expertenmeinungen am Beispiel Niederlande

Digitalisierung, Datenautobahn und Computerisierung bedeuten für viele das Ende des traditionellen Fernsehens: Der "passive" werde dem "aktiven" Zuschauer Platz machen und der Computer das Fernsehen ersetzen (Stichwort: Konvergenz). Andere stellen dieses Szenario in Frage, weil noch nie ein neues Medium ein bestehendes Medium verdrängt hat. Dritte behaupten, Fernsehen und Computer würden gerade nicht zusammenwachsen, sondern sich auseinanderentwickeln. Mit welcher Entwicklung ist zu rechnen? Der Autor skizziert ein mögliches Szenario auf der Basis empirischer Daten zur Funktion des Fernsehens und Einschätzungen von Zuschauern und Experten in den Niederlanden.

Im März 1997 befragte die NOS-Medienforschung 606 repäsentativ ausgewählte Fernsehzuschauer und 55 Experten zu ihren Erwartungen und Meinungen bezüglich der Folgen der Digitalisierung des Fernsehens. Danach rechnet man im nächsten Jahrzehnt zwar allgemein mit großen Veränderungen, zugleich besteht beim breiten Publikum aber wenig Begeisterung für die neuen Techniken. Man befürchtet höhere Kosten, findet das bestehende Angebot ausreichend und will, daß Fernsehprogramme für jedermann zugänglich bleiben. Die Expertenmeinungen sind geteilt und widersprüchlich. Mehr als die Hälfte glaubt, daß Pay TV eine wichtige Einnahmequelle werden wird und daß Fernsehen und Computer zusammenwachsen. Nichtsdestotrotz erwartet eine Mehrheit lediglich einen begrenzten Einfluß dieser Entwicklungen auf die Fernsehnutzung.

Fernsehen dient, das weisen die niederländischen Nutzungsdaten aus, in erster Linie der passiven Entspannung am Abend. Dabei wird dem gemeinsamen Fernsehen mit anderen hohe Bedeutung zugemessen. Dafür sprechen die geringe Verbreitung von Zweitgeräten und die Tatsache, daß Frauen Fußballübertragungen zwar nicht schätzen, aber sehr häufig anschauen. Trotz hoher Verbreitung von Videorecordern wird bis heute die Möglichkeit, sich selbst ein Programm zusammenzustellen, kaum genutzt. Offenbar ist Fernsehen eine Form der Freizeitbetätigung, für die man nicht allzu viele Anstrengungen unternehmen möchte. Allenfalls auf lange Sicht sind also, so das Fazit des Autors, größere Veränderungen der Fernsehnutzung durch die digitalen Techniken zu erwarten.

MP 2/1998, S. 83-86



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