Lokalradios in der Schweiz - ein Modell hat sich überlebt
Statt lokaler Vielfalt Tendenz zu Formatradios
Das Schweizer Lokalradio konnte die hochgesteckten Erwartungen der Politiker seit dem Sendebeginn 1983 nicht verwirklichen. Die zur Zeit 39 lokalen Privatradios setzen in ihrer Mehrzahl auf ein Mainstreamprogramm und sind damit zumindest in den kulturell homogenen Sendegebieten erfolgreich. Damit tragen die Lokalradios allenfalls zu einer Standortvielfalt, weniger jedoch zur erhofften Informationsvielfalt und vermehrter politischer Partizipation der Bürger bei. Dies ist eine Schlußfolgerung der Publicom-Studie "Radioprogrammprofile und Publikumspräferenzen", die anhand einer repräsentativen Hörerbefragung samt Formatanalyse öffentliche und private Schweizer Radiosender in zwei unterschiedlichen Erhebungsgebieten - dem urbanen Basel und dem ländlichen Berner Oberland - untersucht.
Die Analyse fördert unter anderem zu Tage, daß die Hörer trotz soziodemographischer Unterschiede bei der Radionutzung Parallelen aufweisen. So hat jede Altersgruppe ihren Lieblingssender, wobei die Musikpräferenzen der Hörer die Senderwahl zumeist bestimmten, wenngleich das Informationsangebot Stammhörer trotz Unzufriedenheit mit dem Musikangebot binden kann. Der Lokalbezug ist nur ein Erfolgsfaktor neben der Musik, dem Programmschema, der Moderation und den Informations- und Serviceleistungen, die für die entsprechende Zielgruppe ein stimmiges Ganzes ergeben. Insofern hat sich das Schweizer Konzept des Lokalradios überlebt, da ein lokales Integrationsprogramm die vielseitigen Erwartungen des Publikums nicht erfüllt. Erste Ansätze zur Programmformatierung sind in der Schweiz erkennbar und beim Publikum offenbar auch gefragt, wie der Erfolg des durchformatierten deutschen privaten Radio Regenbogen, das in die Schweiz einstrahlt, zeigt.
Die Entwicklung der (digitalen) Radiotechnik und die international erkennbare Tendenz zum Formatradio werden sich mittelfristig auch auf das Schweizer Radiosystem auswirken. Zur Zeit sind die Schweizer Radiosender auch aufgrund ihrer monopolartigen geographischen Lage allerdings schlecht auf eine internationale Konkurrenz vorbereitet.
MP 5/1998, S. 259-266
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