Heft 7-8

Ingrid Paus-Hasebrink

Zur Rolle von Medien im Sozialisationsprozess sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher

Ergebnisse einer qualitativen Panelstudie

Die Entwicklung von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen zählt heute zu den wichtigsten Anforderungen in der Gesellschaft. Dabei geht es nicht mehr allein um Fernsehkompetenz, sondern vielmehr um eine umfassende Medienkompetenz, in deren Mittelpunkt das Internet steht und die sowohl technische Fähigkeiten als auch einen kompetenten Umgang mit Chancen und Risiken umfasst. Der Begriff des „digital divide“ legt dabei nahe, dass auch die Ressourcen zur gesellschaftlichen Partizipation über Medien ungleich verteilt sind. Sozial Benachteiligte, allen voran Kinder und Jugendliche, stehen damit in der Gefahr, an den Rand der Gesellschaft zu geraten. Eine Langzeit-Panelstudie bei Heranwachsenden in Österreich über zwölf Jahre (2005 bis 2017) ging der Frage nach, welche Rolle Medien im Kontext des Sozialisationsprozesses sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher spielen.

Wie die Langzeitstudie zeigt, spielen die Eltern eine zentrale Rolle. Mediennutzung erweist sich als Symptom eingeschränkter Handlungsoptionen der Familien. Es zeigte sich beispielsweise, dass trotz der technischen Aufrüstung durch die Eltern zu Beginn der Schulzeit viele Eltern ihren Kindern im Umgang mit Medien kaum Anleitung und Unterstützung boten bzw. bieten konnten. Insbesondere die in ihrer Lebensführung belasteten Familien waren überfordert. Des Öfteren blieb es in den Familien bei einer gemeinsamen Nutzung von Fernsehprogrammen, allen voran von Programmen für Ältere. Eine zunehmend größere Relevanz genoss bei allen Jugendlichen des Panels, wie bei anderen Gleichaltrigen auch, die Onlinekommunikation mit Peers. Diese erwies sich insbesondere bei einigen Jugendlichen als Strategie zur Bewältigung ihrer familiären Alltagsprobleme und Erfahrungen und zuweilen auch als Kompensation mangelnder persönlicher Kontakte.

Kindergärten und Schulen spielen bei der Entwicklung von Medienkompetenz ebenfalls eine wichtige Rolle. Dort können Kinder medienbezogene und auch soziale Verhaltensweisen lernen. Im Kontext der Langzeitstudie erwiesen sich auch betreute Wohneinrichtungen mit Blick auf die Mediennutzung und Förderung von Medienkompetenz als wirksame Hilfe für Kinder, deren Eltern nicht in der Lage waren, ihre Kinder zu betreuen.

 

MP 8/2019, S. 358-365



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