Editorial
Wir nutzen Medien im Internet mehr und mehr, aktuell sind es 136 Minuten täglich. Größter Treiber dieser Entwicklung ist die steigende Nutzung von Video- Streamingdiensten und Mediatheken. Auffällig ist auch die zunehmende Unterwegsnutzung des Internets, allen voran in den Altersgruppen 50 bis 69 und 70 plus. Die tägliche Nutzung von WhatsApp durch 70 Prozent der Bevölkerung führt bei Messengerdiensten zu einer Konzentration auf eine Plattform.
Seit 25 Jahren untersucht die ARD/ZDF-Onlinestudie, wie Internetmedien genutzt werden. Erhoben wurden die Daten auch in diesem Frühjahr während des Lockdowns, der die Onlinenutzung zwar beeinflusst hat, aber wohl weniger stark als der erste Lockdown im vergangenen Jahr. Darauf deutet die mindestens wöchentliche Unterwegsnutzung, die 2020 von 58 auf 55 Prozent gesunken war und 2021 auf 60 Prozent gestiegen ist – der höchste bisher ermittelte Wert überhaupt. Immer wichtiger werden Videos. Dabei haben Nutzerinnen und Nutzer eine große Auswahl an Möglichkeiten, welche Inhalte sie wann auf welcher Plattform nutzen wollen. Streaminganbieter, Mediatheken und Videoplattformen konkurrieren hier um das Publikum. Nur wer dessen Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten immer genauer kennt, kann sich mit passgenauen und zielgruppengerechten Angeboten von der Konkurrenz absetzen.
Dass die ARD vor zwei Jahren entschieden hat, ihre Mediathek und Audiothek mit zu den wichtigsten strategischen Schwerpunkten des Senderverbundes zu bestimmen, wird durch die Daten der ARD/ZDFOnlinestudie eindringlich bestätigt. Der Stand heute: Die ARD-Mediathek hat tolle Inhalte, sie hat sich verbessert in den Nutzungsmöglichkeiten, aber technologisch muss noch viel getan werden. Suchfunktionen, Personalisierung und Empfehlungssystem stehen hier ganz oben auf der To-Do-Liste. Um gegenüber der weltweiten Konkurrenz im Streamingmarkt mithalten zu können, haben ARD und ZDF im Sommer vereinbart, dass ihre eigenständigen Angebote künftig zusammenarbeiten und durch übergreifende Suchalgorithmen ein öffentlich-rechtliches Streaming- Netzwerk bieten. Wer „Tatort“ sucht, bekommt auch „Soko“ empfohlen – diese Strategie würdigt Bindungen von Menschen an „ihren“ Sender und erweitert gleichzeitig das Angebot zu einem öffentlich-rechtlichen Mediatheksportal. Digitale Strategien müssen ständig überprüft und angepasst werden. Hier sind wir als öffentlich-rechtliche Medienhäuser in den vergangenen Jahren schon sehr viel flexibler und schneller geworden.
MP 10/2021, S. 485
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