MP 7/2023: Die politische Krise der Corona-Pandemie und die Rolle der Medien

Dorothee Arlt/Jens Wolling/Sophia Schaller/Christina Schumann

Die politische Krise der Corona-Pandemie und die Rolle der Medien

Erkenntnisse aus Aggregat- und Individualdatenanalysen

In einer quantitativen Panelstudie nahm die TU Ilmenau die politischen Folgen der Corona-Pandemie und hierbei die Rolle der Medien unter die Lupe. Die Daten stammen aus dem Zeitraum zwischen April 2020 bis April 2022.

Kurz und knapp

  • Die Medien wurden vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie und bei hohem Infektionsgeschehen intensiv genutzt.
  • Von den journalistischen Quellen wurde das öffentlich-rechtliche Fernsehen am intensivsten genutzt.
  • Geringes Medienvertrauen und hohe Themenverdrossenheit begünstigen eine negative Beurteilung der Corona-Politik.
  • Qualitätsjournalismus wirkt in dieser politisch aufgeheizten Zeit gesellschaftlich stabilisierend.

Ö.-r. Fernsehen und RKI sind wichtige Informationsquellen

Die Medien werden insbesondere zu Beginn der Pandemie und zu Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen sehr intensiv genutzt. Die Bedeutung verschiedener Medienangebote als Informationsquellen variiert deutlich. Von den journalistischen Quellen wird das öffentlich-rechtliche Fernsehen über die ganze Zeit am intensivsten genutzt, unter den nicht-journalistischen Quellen ragt das Robert Koch-Institut hervor. Gerade während der Krise werden die zuverlässigen Informationen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der etablierten Wissenschaft von den Bürgerinnen und Bürgern stark nachgefragt und erfüllen somit ihre Informationsfunktion.

Medienvertrauen nimmt im zweiten Corona-Jahr auf hohem Niveau ab

Zwar ist bei der Mehrheit der Bevölkerung im ganzen Untersuchungszeitraum ein hohes Vertrauen in die publizistischen Medien festzustellen, allerdings sind zu Beginn des zweiten Corona-Jahres deutliche Einbrüche hinsichtlich dieses Vertrauens zu beobachten. Parallel dazu nimmt die Themenverdrossenheit zu. Von sehr vielen Menschen wird zudem eine starke Verdrängung anderer politischer Themen aus den Medien beklagt. Geringes Medienvertrauen und hohe Themenverdrossenheit hängen mit einer negativen Beurteilung der Corona-Politik und einem starken Verständnis für Proteste gegen diese zusammen.

Qualitätsjournalismus des ö.-r. Fernsehens wirkt gesellschaftlich stabilisierend

Die Nutzung von Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens führte durchweg zu positiveren coronabezogenen politischen Einstellungen. Bedenkt man die intensive Nutzung dieses Angebots im Vergleich zu allen anderen Quellen, dann unterstreichen diese Befunde nicht nur die erfolgreiche Wahrnehmung der Informationsfunktion der öffentlich-rechtlichen Sender, sondern auch, dass deren Qualitätsjournalismus in dieser politisch aufgeheizten Zeit gesellschaftlich stabilisierend wirkte und die Programme ihre Integrationsfunktion erfüllen konnten. Gegensätzliches lässt sich über die Boulevardzeitungen, allen voran die Bild-Zeitung, im Kontext der Corona-Pandemie sagen. Eine höhere Nutzung von Boulevardzeitungen geht mit einem höheren Verständnis für Corona-Proteste, stärkerem Glauben an Verschwörungsmythen und sogar einer höheren Akzeptanz von Gewalt gegen Politiker einher.

Vertrauenswürdige Medien sind essenziell für eine freiheitliche Demokratie

Ein hohes Medienvertrauen hat durchweg positive Effekte auf politische Einstellungen. Dies verdeutlicht einmal mehr, wie sehr Einstellungen gegenüber dem politischen System und dem journalistischen Mediensystem miteinander verbunden sind. Freie Medien, die ihre Aufgabe so erfüllen, dass die Menschen ihnen vertrauen können, erweisen sich als funktionale Voraussetzung für eine freiheitliche Demokratie.



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