Heft 6

Ulrich Pätzold/Horst Röper

Maßnahmen der Vielfaltsicherung im Rundfunk

Ein Vergleich der Regelungen in Großbritannien und Deutschland

Die Konzentrationsregeln für den Rundfunkmarkt sind heute in Großbritannien strenger als in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt die vorliegende Studie, die als Gutachten der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft erstellt wurde. Die Untersuchung geht der Frage nach, ob die heutigen wirtschaftlichen und institutionellen Strukturen der Medienlandschaften in Deutschland bzw. in Großbritannien möglich wären, würden dort die Regeln des jeweils anderen Landes gelten. Mißt man also den deutschen Medienmarkt an den britischen Vielfaltsicherungen, die im Bereich der Presse nicht zwischen Abonnement- und Boulevardzeitungen oder zwischen Tages- und Sonntagszeitungen unterscheiden, dann verfügt die Axel Springer-Verlags AG bei den Zeitungen mit überregionaler Verbreitung über einen Marktanteil von rund 85 Prozent, ungleich mehr als der zum Murdoch-Konzern gehörende britische Marktführer News International mit 37 Prozent. Dennoch würde sich auch nach britischem Recht innerhalb des deutschen Tageszeitungsmarktes nichts Grundsätzliches ändern.

Ganz anders sieht es im Fernsehbereich und bei den Cross-ownership-Beteiligungen aus. Das britische Verbot von mehrfachem Besitz an nationalen, terrestrisch ausgestrahlten Fernsehprogrammen hätte für die deutsche Medienindustrie weitreichende Folgen. So müßten sich etwa die beiden Marktführer Kirch und Bertelsmann von mehreren Sendern trennen, ein Rückzug der Konzerne auf ihre jeweiligen Hauptprogramme SAT.1 und RTL wäre unausweichlich. Darüber hinaus wäre der Springer-Verlag gezwungen, seine SAT.1-Anteile um die Hälfte zu reduzieren, da er nach britischen Kriterien den nationalen Zeitungsmarkt beherrscht. Springer müßte sich ferner von mehreren Beteiligungen an Regionalzeitungen trennen.

Die Studie stellt zusammenfassend fest, daß die deutschen Medienstrukturen in weiten Teilen nicht mit den britischen Grundsätzen der Gewährleistung von Pluralität im Mediensystem vereinbar sind. Als ersten Schritt fordern die Autoren eine höhere Transparenz für die Angebots- und Anbieterstrukturen im Markt sowie für die Verfahrensschritte der Kontrollinstanzen. Sie schlagen vor, wie in Großbritannien bereits geplant, einen multimedialen, das heißt über einzelne Teilmärkte hinausgehenden Gesamtmaßstab zur Vielfaltsicherung einzuführen.

MP 6/1998, S. 278-286



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