Warum interessieren sich immer mehr Performance getriebene Unternehmen für Radio als ein Marketingkanal?
Ulrike Tusk:
Zum Teil, weil sie die digitalen Kanäle und TV nicht mehr weiter skalieren können und nun weitere Gelegenheiten suchen Ihre Botschaft unter die Leute zu bringen. Eine große Rolle spielt sicherlich auch, dass die Unternehmen zunehmend die Stärken von Radio erkennen, die sich zum Beispiel im, für ein Massenmedium, recht detaillierten Targeting wiederfinden. Es kann zwar auch hier nicht so granular auf die Zielgruppe eingegangen werden, wie im digitalen Bereich (wobei das durch Online Audio auch immer greifbarer wird), aber es geht doch noch spezifischer als im TV. Seien es spezifischere Alters- oder Einkommenssegmente, konkrete Themen wie Kultur, News, Entertainment oder, was oft ausschlaggebend ist, der lokale Bezug.
Welche Planungsmöglichkeiten sind es in der regionalen Zuordnung, die Sie interessieren?
Kathleen Cürten:
Wer seine Zielgruppe eher im urbanen Bereich sieht, kann hier relativ einfach die Großstädte Deutschlands (inkl. Speckgürtel) erreichen, ABER ebenso wie die ländlichen Gegenden - egal ob einzelnes Bundesland, eine einzelne Großstadt oder größer gefasst Süd- oder Norddeutschland. Diese Regionen können alle einzeln geplant und somit eine noch effizientere Zielgruppenansprache erreicht werden. Natürlich bietet diese lokale Aussteuerung auch hervorragende Testmöglichkeiten, um zum Beispiel die für sich passendsten Regionen zu identifizieren oder um auf bestimmte regionale Besonderheiten einzugehen. Und „last but not least“: die Hörer sind sehr loyal zu den einzelnen Sendern, die sie hören. Sie kennen den jeweiligen Sender und/oder Moderator meist schon seit Jahren und haben daher ein hohes Vertrauen zu den Informationen/Empfehlungen, die sie erhalten. Das kann zum Beispiel sehr gut genutzt werden, wenn man über den klassischen Radiospot hinausgeht und evtl. Sponsorings, Gewinnspiele oder individuelle Kooperationen ins Auge fasst. Letztendlich ist Radio ein Reichweitenmedium, das mit deutlich kleineren Budgets, aber zu ähnlichen TKP’s wie TV, getestet und dann entsprechend skaliert werden kann.
Wie können Marketeers herausfinden, ob Radio in den eigenen Marketing-Mix passt?
Kathleen Cürten:
Es gibt zwar auch hier kein „one size fits all“. Grundvoraussetzung ist ein genaues Verständnis der eigenen Zielgruppe - Standards wie demographische Einordnungen oder auch, ob die Zielgruppe eher ländlich, im städtischen Umland oder urban lebt. Hierbei kommt auch zum Tragen, ob das eigene Produkt einen regionalen Bezug hat (z.B. ein Ladengeschäft, Fitness-Studio) oder nur in bestimmten Regionen angeboten wird (z.b. Food Delivery in Städten). Mit dieser Grundlage kann schon eine recht gute Verortung des Mediums stattfinden.
Welche Rolle spielt die spezielle Nutzung von Radio über den Tag verteilt für Werbungtreibende?
Kathleen Cürten:
Die Nutzungszeiten wann und auch wie Radio wirkt sind ein wichtiger Orientierungspunkt für die Planung. Die Radionutzung ist am Tag eine andere als beispielsweise bei TV. Die Prime Time findet sich eher in Zeiten, in denen zwischen Arbeit und Wohnort gependelt wird. Das Medium wird hauptsächlich im Auto konsumiert wird, um sich die tägliche Portion Information, Musik oder Kultur zu holen und das im Normalfall ohne ein mobiles Endgerät in der Hand. Tagsüber wird das Radio auch gerne während der Arbeit als Nebenbei-Medium verwendet.
Wenn die Zielgruppe passt, stellt sich die Frage, ob das Produkt so leicht zu erklären ist, dass es auch durch einen reinen Audiospot verstanden wird. Ist der Spot so eingängig produziert, dass sich die Konsumenten auch noch nach der Fahrt daran erinnern?
Wie kann der Erfolg einer Radio-Kampagne gemessen und bewertet werden?
Ulrike Tusk:
Das ist natürlich die relevanteste Frage für performancegetriebene Unternehmen.
Radio ist im Gegensatz zu TV, ist kein Direct Response Medium – die Zuhörer werden in den meisten Fällen nicht direkt eine App downloaden oder eine Website besuchen (können), nachdem sie den Werbespot gehört haben. Das macht es nahezu unmöglich die Website Visits/Installs zu einem individuellen Spot zu attribuieren. Das limitiert zwar Möglichkeiten nach Sender und Zeiten zu optimieren, aber es gibt andere Wege, um signifikante und relevante Informationen zu erhalten. Zum Beispiel ist es immer noch möglich KPIs wie Visits, Conversions oder Installs zu messen, nur eben nicht so granular.
Wie gehen Sie dabei vor?
Ulrike Tusk:
Um herauszufinden, ob mehr Visits/Installs erreicht worden sind, nutzen wir unser intern entwickeltes Tool DataCairo welches nach der Baseline Uplift Methode arbeitet. Diese Baseline Messung vergleicht zum Beispiel die Ergebnisse in einer ähnlichen Stadt/Region ohne Kampagne mit dem Userverhalten in der Stadt/Region, in der die Radiokampagne läuft. So lässt sich schon früh erkennen, ob die Kampagne den Website Traffic steigern kann oder nicht. Aber natürlich können nicht nicht alle Effekte der Kampagne abgebildet werden, um mit der langfristigen Entwicklung der User Base oder saisonalen Effekten zwei Beispiele zu nennen. Um hier noch weitere Erkenntnisse zu erhalten, sollte zeitgleich auch immer eine Brand-Studie erfolgen. Wir nutzen dazu unseren Digital Brand Tracker. Hierbei wird vor und nach der Kampagne die Brand Awareness, Kaufabsicht und im Idealfall auch die Kampagnenerinnerung abgefragt.
Mit beiden Messungen erhält man schon ein sehr gutes, umfängliches Bild über die Auswirkungen und den Erfolg der Kampagne. Es besteht zwar immer das Risiko, dass mal kein Uplift gemessen werden kann oder andere unerwartete Aspekte eintreten. Doch das bedeutet noch lange nicht das der Test nicht erfolgreich war bzw. das Radio nicht funktioniert. In solchen Fällen muss man dann genauer in die Analyse gehen. War der Werbedruck ausreichend? Ist der Radiospot klar und verständlich? War es das richtige Test-Setup in Hinblick auf Zielgruppe, Region usw.? Wie bei jedem anderen Medium auch, muss auch hier häufiger getestet werden, um das beste Setup zu finden.